24.
Oktober

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 10. April 2018 die geltende Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Die Bewertung des Grundvermögens auf der Basis der Einheitswerte verstößt gegen den Gleichheitssatz. Die Einheitswerte wurden vor Jahrzehnten ermittelt und haben mit den tatsächlichen Wertverhältnissen nur noch wenig zu tun. Deshalb kommt es bei der Grundsteuer zu einer letztlich willkürlichen Lastenverteilung. Das Gericht hat erläutert, dass eine Grundsteuer nicht zwingend auf Grundstückswerten beruhen muss. Man kann Grundsteuern auch anders gestalten. Aber wenn die Steuer an den Werten von Grundstücken und Häusern ansetzt, müssen die tatsächlichen Werte verwendet werden, die sich im Laufe der Zeit immer wieder verändern. Das Gericht hat dem Gesetzgeber bis Ende 2019 Zeit gegeben, die Grundsteuer neu zu regeln. Sollte diese Frist verstreichen, darf die Grundsteuer nicht mehr erhoben werden.

Unter den maßgeblichen politischen Parteien in Deutschland besteht Einigkeit, dass man die Grundsteuer nicht abschaffen, sondern reformieren will. Die Reform soll aufkommensneutral sein. Umstritten ist, ob die Steuer künftig auf aktuellen Immobilienwerten beruhen soll oder ob man sich ganz von der Wertermittlung verabschiedet und andere Merkmale ansetzt, beispielsweise die Fläche von Grundstücken und Gebäuden.

Als Argument für die Wertbasierung wird angeführt, nur so sei eine gerechte Steuerlastverteilung zu erreichen. Dieses Argument ist nicht tragfähig. Die Grundsteuer ist eine Objektsteuer. Bei ihr spielt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Besteuerten keine Rolle. Mietern wird die Grundsteuer mit den Nebenkosten in Rechnung gestellt. Ob die Mieter hohe oder niedrige Einkommen haben, spielt für die Grundsteuer keinerlei Rolle, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Vermieters auch nicht. Ähnliches gilt für selbstgenutzte Immobilien. Ein Einfamilienhaus kann einer weitgehend verarmten Witwe oder einem Multimillionär gehören, die Grundsteuer ist immer die gleiche. Das gilt unabhängig davon, ob die Steuer am Marktwert des Hauses ansetzt oder an der Gebäudefläche. Die Grundsteuer kann konstruktionsbedingt gar nicht das Ziel verfolgen, Steuerzahler entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit heranzuziehen.

Eine andere Begründung für die Grundsteuer lautet, sie sei ein Entgelt für kommunale Dienstleistungen. Das kann man so sehen, aber daraus folgt nicht, dass die Steuer auf Immobilienwerten beruhen muss.

Da es keine überzeugende Begründung für eine Bemessung der Grundsteuer an Immobilienwerten gibt, sollte man sich fragen, was denn unter dem Aspekt der Einfachheit und der Vermeidung überflüssiger Verwaltungskosten sinnvoll ist. Hier schneidet die auf Marktwerten beruhende Grundsteuer schlecht ab. Für die insgesamt rund 35 Millionen Grundstücke in Deutschland müssten regelmäßig Marktwerte bestimmt werden. Der Aufwand wäre gewaltig, der Nutzen gering. Vertretbar wäre allenfalls eine Wertkomponente, die sich auf Bodenrichtwerte stützt, denn die werden ohnehin regelmäßig aktualisiert. Aber letztlich sollte man für die Grundsteuer eine Bemessungsgrundlage verwenden, die eine vertretbare Lastenverteilung sichert und möglichst einfach zu ermitteln ist. Geeignet wäre eine Kombination aus Grundstücks- und Wohn- und Nutzfläche. Komplexität der Besteuerung und Kosten für Steuerpflichtige und Steuerverwaltung sind nicht immer vermeidbar, aber bei der Grundsteuer schon.

 

Prof. Clemens Fuest

Präsident ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München

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